Vortragsveranstaltung im Rathaus von Berlin-Zehlendorf

  Das Wetter am 11.Juni war miserabel. Es regnete und regnete - aber der Termin war durch eine Einladung im Kalender vieler Berliner Ostpreußen für den 11. Juni 2009 festgeschrieben.
Die Verantwortlichen der Berliner Landsmannschaft standen im großen Bürgersaal des Rathauses Berlin-Zehlendorf und rechneten schon wegen der vermutlich geringen Teilnehmerzahl mit einer schwachen Veranstaltung. Da hatten sie lange mit Dr. Andreas Kossert verhandelt, um ihn für einen Vortrag über sein neuestes Buch „Kalte Heimat" zu gewinnen ...
Dem Regen trotzend und mit einer Verspätung kamen doch einige der Zuhörer und es wurden immer mehr, so dass sich noch rechtzeitig um 15.00 Uhr der große Raum füllte. Weit über 60 Teilnehmer warteten interessiert auf die Ausführungen von Dr. Andreas Kossert. Der preschte ähnlich wie die Zuhörer durch den Regen, um seinen Vortrag zu starten.
 

Dr. Kossert ( links ) wird vom Vorsitzenden der Berliner Ostpreußen, R. Jakesch, begrüßt
 
Nach seinen Beobachtungen wurde das Thema vom Neuanfang nach der Flucht mehr und mehr von den Vertriebenen eingefordert. Nicht nur von ihnen, sondern auch von ihren Kindern und Großkindern. Nur zu verständlich, denn mit dem Erlebnis der Flucht war nur der Anfang eines oft mehrjährigen Leidensweges beschrieben.
So dramatisch und existenzbedrohend sich die Flucht den Flüchtigen einprägte, so stark entwickelte sich die Zeit danach als eine Erfahrung mit vielen negativen Vorzeichen. Die Flüchtlinge waren in ihrem eigenen Vaterland unerwünschte Gäste. Sie trafen auf eine gleichgültige, misstrauische Bevölkerung und eine wenig hilfreiche Verwaltung. Darüber sprach Andreas Kossert. Er ließ nichts aus. Die vielgelobte Integration hatte viele Schattenseiten. Flüchtling zu sein, bedeutete eine berufliche und gesellschaftliche Herabstufung. Die Habenichtse aus dem Osten mussten noch einmal ihr Leben von vorne beginnen. Das fiel vor allem den älteren schwer. Das, was sie besessen hatten : Haus und Hof, aber auch Möbel, Gerät, Geschirr, Bekleidung - alles fehlte ihnen. Es war unwiederbringlich verloren. Die Aussichten ihren erlernten Beruf auszuüben lagen bei Null. Weitere Unterschiede, die die Integration bremsten, lagen in den Bereichen Religion und Kultur und in vielen landschaftsbedingten Eigenheiten. Nicht zu vergessen die unterschiedlichen Dialekte. So setzten sich die Vertriebenen von vorne herein ohne Absicht von der bestehenden Gesellschaft ab. Andreas Kossert konnte mit Beispielen belegen, wie sehr die Vertriebenen an den Rand gedrängt wurden. Sie fühlten sich ausgegrenzt und allein gelassen. Im Vortrag zeigte sich die einfühlsame und verständnisvolle Einstellung des Autors des Buches „Kalte Heimat" für das Los der Vertriebenen.
 

Blick in den Bürgersaal nach der Pause
 
In der Pause und nach dem Vortrag tauschten die Teilnehmer ihre Erfahrungen aus. Sie stellten nach dem Vortrag viele Fragen, die Andreas Kossert ausführlich beantwortete. Am Ende der Veranstaltung unterstrich Rüdiger Jakesch die Wichtigkeit dieses Themas für unsere Arbeit, in dem er die einzelnen Aspekte zusammenfasste. Er sieht darin auch den Ansatz für Gesprächsrunden in den Kreisgruppen.